Die Reise Händlers Ibrahim ibn Jakub auf der böhmischen Salzstraße durch unsere Heimat
Von ADOLF BÖHM

Eines der ältesten Zeugnisse des frühmittelalterIichen Verkehrs durch unsere Heimat ist im Bericht des jüdischen Händlers Ibrahim ibn Jakub über die Slawenlande enthalten. Sein Landsmann Abu Obeid al Bekri, ein Geograph am byzantinischen Hof, hat ihn niedergeschrieben. I n diesem Bericht ist u. a. eine ausführliche Schilderung einer Reise von Magdeburg nach Prag im Jahre 965 oder 973 (darüber sind sich die Historiker noch nicht ganz einig) enthalten, die ein Stück durch die heutigen Kreise Wurzen und Grimma führte, Die Übersetzung des Reiseberichtes der Wegstrecke des Ibrahim ibn Jakub durch unsere Heimat lautet nach Jakob:

„Der Wag von Madifrug (= Magdeburg) nach der Feste Calbe beträgt 10 Meilen, das ist eine Feste aus Steinen und Mörtel gebaut und sie liegt am Fluß Salawa (= Saale) und in ihm fällt der Fluß Bode. Von der Feste Nub Grad (== Nienburg) bis zum Salzwerk der Juden (verm. Halle), und es liegt ebenfalls am Fluß Salawa.. sind es 30 Meilen. Von da nach der Feste Burdschin (= Wurzen, vergeh. Autoren meinen auch Nerchau) und diese liegt am Fluß Muldawa (= Mulde) und von da bis zum Rand des Waldes (gemeint ist das Erzgebirge) sind es 25 Meilen. Dieser mißt vom Anfang bis zu seinem Ende 40 Meilen und erstreckt sich über unwegsame Gebirge. Dort ist eine hölzerne Brücke über den Morast etwa 2 Meilen. Vom Ende des Waldes betritt man die Stadt Braga (= Prag)."

Die Rekonstruktion des im Text des Geographen Bekri beschriebenen Weges ergibt, daß die Reise des Ibrahim ibn Jakub von Magdeburg über Calbe und Nienburg nach Halle führte. Von hier ging es auf der   Salzstraße geradenwegs zur Mulde, die bei Püchau/Wurzen überquert wurde. Der Muldenübergang bei Trebsen/Neichen ist vermutlich erst jüngeren Datums. Daher ist der genannte Etappenort Burdschin nicht Nerchau, sondern Wurzen. Auch die Tatsache, daß der Muldenübergang Püchau/ Wurzen für andere frühgeschichtlichen Wegetrassen relevant ist, dürfte diese Behauptung rechtfertigen. Von Wurzen ging es dann weiter über Leisnig und das Erzgebirge (Purschensteiner Übergang) nach Prag. Bei der im Reisebericht erwähnten hölzernen Brücke über den Morast handelt es sich vermutlich um einen Knüppeldamm über einen Sumpf im Tal der oberen BiIina, etwa in der Nähe des heutigen Most (most auf tschechisch = Brücke). Bei dem von Ibrahim ibn Jakub geschilderten Weg dürfte es sich mit Sicherheit um die älteste Trasse der böhmischen Salzstraße handeln, auf der seit der Jahrtausendwende Salz von Halle nach Böhmen transportiert wurde.

Wer war I brahim Ibn Jakub? Der Händler Ibrahim ibn Jakub war vermutlich ein aus Spanien stammender Jude, dessen Vorfahren mit den Arabern nach Europa kamen und daher einen arabischen Namen angenommen hatten. Als die sächsischen Kaiser (Otto I. und Otto II.) die Machtzentren des jungen Reiche an die Elbe bzw. Saaleverlegten, kamen auch viele jüdische Händler in dieses Gebiet. Ibrahim ibn Jakub muß ein erfolgreicher und bedeutender Händler gewesen sein. Er hatte Zugang zum Kaiserhof und zu den Häusern der erden Fürsten des Reiches. Diese versorgte er besonders mit Luxusgütern aus dem Süden Europas und aus dem Orient (z B. Byzanz). Er besuchte auf seinen Handelsreisen aber auch andere Fürstenorte. So reiste er von Magdeburg zum Obotritenfürsten Nakon, der seinen Fürstensitz in Mecklenburg-Dorf (Kreis Wismar) hatte und den Handel mit Skandinavien kontrollierte.

Die Böhmische Salzstraße im Frühmittelalter
Da Böhmen bereits in früher Zeit ein bedeutendes politisches und wirtschaftliches Gebiet in Europa war, entwickelte sich bald ein reger Fernhandel mit den Nachbarländern. Es pflegte, vornehmlich gute Handelsverbindungen mit Byzanz und Venedig. Da es aber keine Salzvorkommen besitzt, mußte dieses Mineral bereits damals importiert werden. Die Salzquellen an der Saale bei Halle, als die nächstgelegenen und ergiebigsten, belieferten den böhmischen Raum mit diesem damals kostbaren Gut, Von Halle  aus entstand ein reger Salzhandel nach Böhmen, Die von Ibrahim ibn Jakub geschilderte Trasse ist vermutlich die älteste Salzstraße nach Böhmen. Interessant dabei ist für die Heimatforschung, daß dieser Landweg quer durch die heutigen Kreise Wurzen und Grimma führte und daß vermutlich Wurzen dabei eine wichtige Punktion als Etappenort hatte. Die Salzhändler nutzten geschickt die topographischen Bedingungen, um möglichst auf trockenen Wegen, die von Mai bis Oktober gut passierbar waren, die weiße Last ans Ziel zu bringen. Die so entstandenen Landwegewurden auch von den anderen Fernhändlern genutzt, die ihre Güter ebenfal Is mhnel I und sicher an ihr Ziel bringen wollten. Die Böhmische Salzstraße erreichte nordwestlich von Püchau das Wurzener Kreisgebiet. Auf alten Karten (z B. bei Oberreit) und auf den Meßtischblättern ist diese Strecke als Salzstraße bezeichnet. Unter dem Schutz der Burg' Püchau wurde die Muldenaue durchquert. Dazu diente der Hohlweg nördlich des heutigen Schlosses (heute liegt darunter die neue Fernwasserleitung

nach Leipzig) als Abstieg. Die genaue Lage der Muldenfurt zwischen Püchau und Canitz ist nicht mehr rekonstruierbar, da inzwischen viele Hochwässer und Iandschaftsverändernde Eingriffe darüber hinweggegangen sind. Am östlichen Muldenufer ging es dann weiter über Nischwitz nach Wurzen. Das Weichbild der damaligen Siedlung erreichte. man am heutigen Gerhart-Hauptmann-Platz Ein weiterer Zweig der Salzstraße ging von Püchau in südlicher Richtung bis Grubnitz und von dort über die Mulde nach Wurzen, Der Name der heutigen Salzstraße von Püchau nach der F6 (in Richtung Altenbach) ist vermutlich eine Fehldeutung der vorstehend beschriebenen Trasse.

Von Wurzen aus ging die Böhmische Salzstraße in südlicher Richtung (Nemter Straße, ölschützer Straße) am Wachtelberg vorbei (vorm. eine Wegmarke) über den Läuseberg zur Sonnenmühle und dann weiter über Ölschütz, Nitzschka und Neichen nach Nerchau. Hier zeigt heute noch die nord-südliche Anordnung der Hauptstraße den Verlauf der alten Hauptverkehrsrichtung. Dann ging es über Schmorditz und Deditz hinauf zur Deditzer Höhe, Sie war vermutlich eine wichtige Wegmarke, nach der sich die Salzhändler orientierten. Von hier ging es hinab nach Neupöhsig und Pöhsig und dann weiter nach Dürrweitzschen hinauf. Weiter führte der Weg durch den Zetzseh in das Tal der Weiheritz nach Ostrau. An der heutigen Ziegelei stieg der Weg dann wieder hinauf nach Zschockau, um dann über Polditz die alte Muldenfurt bei Wiesenthal/Altleisnig zu erreichen. Wer sich heute einmal der Mühe unterzieht und diese Strecke abfährt, der wird überrascht sein von der günstigen Linienführung und der Anpassung an die topographischen Bedingungen. Mit Ausnahme der Gewässerkreuzungen hat man von allen Punkten der Trasse einen guten Blick in die Landschaft rechts und links der Straße. Das war damals eine wichtige Voraussetzung für die Sicherheit der Reisenden und des Transportgutes. Diese hier beschriebene Trasse der Böhmischen Salzstraße dürfte etwa bis 1200 in reger Benutzung gewesen sein. Danach wurde der Landverkehr, auch der Salzhandel nach Böhmen, vom aufblühenden Leipzig angezogen. Im erzgebirgischen Raum war es Freiberg, das diese Straße zu seinen Gunsten veränderte. Die Trasse über Wurzen und Leisnig verlor immer mehr an Bedeutung, zumal Wurzen als bischöfliche Stadt ohnehin auf Betreiben der Landesfürsten wegen der Zolleinnahmen vorn Fernverkehr weitgehend, ausgeschlossen wurde. Heute erinnern nur noch einige Namen und Fragmente an diese Vergangenheit.

Literatur: Böhm, Adolf: F6, Geschichte einer Straße. DER RUNDBLICK 1/1980, Jakob, Georg: Arabische Berichte von Gesandten an germanischen Fürstenhöfen im 9. und 10. Jh. Berlin/ Leipzig 1922. — Wiechel, H.: Die ältesten Wege in Sachsen. Dresden 1901.

Quelle: http://www.nitzschka-info.de/indexhome.html